Schleusen bis zur Rhône

Bei Digoin erreichen wir den Canal du Centre. Er lockt mit bescheidenen 70 Schleusen und führt uns jetzt witzigerweise in NE-Richtung nach Chalon-sur-Saône. Inzwischen trage ich meine Wildlederwinterhandschuhe und nicht mehr die „halben“ Seglerhandschuhe. Meine Finger sind rot und brennen vom vielen Leinenzusseln. Die Engländer hatten an die neuen Fender der Broom wirklich hübsche blaue Leinen gebunden, aber ich ahnte gleich, dass die nicht sonderlich hautfreundlich sind.
Einige Male finden wir in der Idylle direkt am Anleger erstaunlich gute Restaurants, oft vom Schleusenpersonal empfohlen und immer mit Dorfflair, in denen man wunderbar zu Mittag essen kann. Arbeiter, Handwerker und Angestellte lassen sich hier, typisch französisch, ein 3-Gänge-Menue servieren, natürlich mit einer Karaffe Wein und zum Abschluss einem Café. Das Ganze für nur 12 oder 13€.P1040483

In Montceau-les-Mines legen wir einen Hafentag ein. Es ist eine alte Braunkohlenstadt, die sich aber aufs Schönste rausgeputzt hat. Ein toller Park mit See ist auf dem ehemaligen Grubengelände entstanden, der Hafen mit bequemen Pontons ausgestattet. Das ist auf dieser Reise eine Seltenheit. Und morgens wird direkt neben unserem Schiff ein großer Markt aufgebaut und wir ergänzen unseren Proviant für die folgenden Etappen. Hier ist kein Chartergebiet mehr und auf dem Wasser ist wenig los.
Nach 2 weiteren Fahrtagen und etwa 15 Schleusen kommen wir an einem Straßenschild vorbei:“ Montceau-les-Mines 15km“. Nun ja, es geht hier wirklich sehr langsam voran, selbst die vielen, vielen Fahrradfahrer, die am Kanal entlang auf dem wunderschönen Voie vert fahren, sind bei weitem schneller als wir.
Die letzten Aufwärtsschleusen, sie sind alt und mit allerlei Eigenheiten behaftet, haben es in sich. In einer schwimmen ein angegammeltes Türblatt und anderer Unrat. Nachdem wir uns durchgearbeitet haben funktioniert für einige Zeit unser Bugstrahlruder nicht, das macht das Manövrieren natürlich sehr viel schwerer.
Eigentlich arbeiten die Écluses hier vollautomatisch, aber die VNF-Mitarbeiter müssen doch öfters eingreifen. In unserem Revierführer war nach allerlei Erklärungen zum Canal du Centre zu lesen: „Na dann viel Spaß!“ Jetzt wissen wir, wie das gemeint war.
Auf einem Nachmittagsspaziergang  baut sich unter einer Brücke im Gesträuch eine mindestens 1m lange blaugrüne Schlange vor Paula auf und zischt sie an. So ganz geheuer ist mir die Gegend hier nun nicht mehr. In Montceau entdeckten wir drei Bisamratten am Kai, die finde ich putziger als Schlangen.
Am 12.06. haben wir den Scheitelpunkt erreicht, wir sind ca. 345m hochgestiegen. Zur Saône führen jetzt 35 Schleusen talwärts. Sie sind wesentlich leichter zu bewältigen, weil nur noch eine Leine mittig festgemacht werden muss. Aber das Einfahren ohne den Rand zu touchieren ist schwierig, weil die Schleusen fast randvoll gefüllt sind.
Ein paar Tage fahren wir gemeinsam mit Kanadiern auf einer großen Linssen mit dem treffenden Namen „Tour d‘ Europe“. Der Skipper ist ein Sicherheitsfanatiker und tüttelt furchtbar lange mit den Leinen rum. Aber von Tag zu Tag geht es besser, und während eines ausgedehnten Kaffeeplauschs können wir ihm viele Tipps über das Mittelmeer geben.
Die Landschaft hat sich merklich verändert. Wir fahren durch zauberhafte Hügel an verlockenden Weindörfern vorbei. Jörn lässt es sich nicht nehmen, per vélo einen Winzer zu besuchen und einen guten, trockenen Crémant de Bourgogne zu kaufen.
Die Uferböschungen blühen in allen Farben, unter den Bäumen liegen die Pollen wie Schnee. Blütenblätter fallen romantisch auf unser Deck und wehen, weniger romantisch, auch ins Boot. Die Schleusenhäuser sind fast alle bewohnt, und die dazugehörigen Gärten allerliebst gepflegt und bunt. Es ist eine Freude für das Auge.
Nach der letzten Schleuse des Canal du Centre mit 11m Hub  erreichen wir Mitte Juni glücklich die Saône und damit bekanntes Revier.P1040488

Zuletzt waren wir 2009 auf dieser Route von Kappeln kommend zum Mittelmeer gefahren. Wir folgen nun wieder dem idyllischen Lauf des Flusses und erreichen Lyon. Kurz vor dem Zusammenfluss von Saône und Rhône ist hier in den letzten Jahren der neue Stadtteil Confluence entstanden, mit hochmoderner, überaus spannender Architektur. Mittendrin liegt ein neuer kleiner Yachthafen.P1040491

Die Zeiten, in denen man in Lyon nicht übernachten mochte, weil man immer Gefahr lief, beklaut zu werden, sind damit zum Glück vorbei.

Ein paar Tage später kommen wir in Valence an. Hier im modernen Yachthafen kann man beruhigt sein Boot für ein paar Monate anbinden. Nach 10 Wochen an Bord, aufregenden Abenteuern und ca. 150 Schleusen freuen wir drei uns auf den Sommer in Norddeutschland.P1040501

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