Mitte April 2014 waren wir in Port Grimaud gestartet. Die Tour führte uns nach Italien und an der ligurischen Küste entlang nach Elba. Von dort aus konnte man die beeindruckenden, noch schneebedeckten Berge der großen Nachbarinsel schon sehen.
Korsika ist ein anspruchsvolles Seegebiet. Der Westen der Insel ist den Wellen des gesamten westlichen Mittelmeeres ausgesetzt, der Osten gen Italien soll ruhiger sein. Eigentlich hatten wir vor, wie es üblich ist, erst einmal die Ostküste zu erkunden, um uns dann von Süden her an den rauen Westen heranzutrauen. Aber die in der nächsten Zeit vorherrschende Wetterlage veranlasst uns, den Rundtörn im Norden zu beginnen.
Am 17. Mai 2014 sieht der Wetterbericht gut aus, und wir fahren die 50sm hinüber von Elba nach Korsika. Unterwegs wird die See aber doch sehr unruhig, und wir gönnen uns 2 Stunden Gleitfahrt mit ca. 16kn. Jörn schafft es sogar trotz der Wellen, noch vor dem Einlaufen neben der französischen auch die korsische Flagge zu setzen (Schwarzer Kopf eines Mauren mit Stirnband auf weißem Grund). Im Hafen Maccinaggio an der NE-Küste finden wir einen ruhigen Liegeplatz.
Um das gefürchtete Cap Corse im Norden geht es am nächsten Tag anfangs noch passabel. Die Landschaft ist abweisend, wild und rau mit grünlich schimmernden Felsen. Auf den Caps und Hügeln stehen hohe Türme. 150 solcher 17m hohen Bauwerke waren von den Genuesen an der gesamten Küste Korsikas errichtet worden. Sie dienten mit Rauchzeichen als Schutz vor Piratenangriffen.
Kaum auf der Westseite bekommen wir gleich ordentlich einen auf die Mütze, denn vom Wetterbericht nicht vorhergesagt rauschen Fallböen die Berge herab. Das Meer ist weiß, und es weht mit 7-8Bft. Um das Ganze abzukürzen, düsen wir in Gleitfahrt an der Küste entlang, nehmen dabei aber sehr viel Wasser über. Es spritzt über das gesamte Deck, die Scheibenwischer schaffen kaum bessere Sicht. Nach 4 Stunden landen wir in Saint Florent und haben einige Mühe, bei starkem Seitenwind in den Liegeplatz zu kommen. Nette Nachbarn nehmen die Leinen an, denn von der Capitainerie ist niemand zu sehen. Wir sind von den stets präsenten Mitarbeitern in italienischen Yachthäfen etwas verwöhnt, aber nun sind wir ja wieder in Frankreich. Hier muss man selbst sehen, wie man zurecht kommt.
Saint Florent klingt so freundlich blumig, daher hatte ich einen schönen Mittelmeerort erwartet. Aber durch den Sturm mit deftigen Fallböen, dicke Regenwolken und die hier typische graue Häuserfarbe fühle ich mich eher wie an der nördlichen Atlantikküste. Es ist unheimlich. „Die Kuh ist angebunden“, aber was für ein Sch…start!
Zwei Tage später trauen wir uns und landen bei ruhigen Bedingungen 30sm weiter in Calvi. Hier herrscht eine völlig andere Atmosphäre. Calvi ist ein heller, freundlicher, von einer Zitadelle gekrönter Ort. Und selbst die vielen Touristen stören mich anfangs überhaupt nicht. Das ändert sich allerdings nach ein paar Tagen, als zwei Kreuzfahrtschiffe in der Bucht vor Anker gehen und ihre Passagiere mit Versatzbooten an Land verfrachten. Dadurch liegen wir ständig im Schwell. Ich falle im Supermarkt fast in die Milchtheke, weil mein Kreislauf in der Kurve hängt.
Oft geht Jörn zum Baden an den Strand. Schwimmend genießt er dann den wundervollen Blick auf die Zitadelle und schneebedeckte Berge.
Mit der berühmten Schmalspurbahn unternehmen wir einen Tagesausflug in die Mitte der Insel. Die Fahrt ist ein Erlebnis, es geht hoch hinauf in die Bergdörfer. Der Zugführer hupt des Öfteren, um die hier überall freilaufenden Rinder von den Gleisen zu jagen. Von der ehemaligen Inselhauptstadt Corte aus unternehmen wir eine Wanderung in die Bergwelt und zu einem Gebirgsbach. In idyllischer Umgebung badet Paula genüsslich im kristallklaren Wasser. Eine sehr schöne Tour, die uns einen guten Eindruck von der Insel vermittelt.
Von Calvi aus fahren wir in Gleitfahrt. Das ist angenehm, weil die relativ hohen Wellen von achtern kommen. Hier wollen wir den eindrucksvollsten Teil der korsischen Küste ansehen. Kameras liegen bereit. Die Fahrt bietet hinreißende Ausblicke auf eine außergewöhnliche wilde Landschaft. Die Felsen sind hier rot, und zusammen mit der leuchtend grünen Macchia ist das ein farbenprächtiges Bild. Wir fahren zwischen zwei hohen Inseln durch eine extrem enge Schlucht. Ich stehe vorn am Bug und dirigiere Jörn, damit wir nicht auf die Steine geraten. Ein abenteuerliches Unterfangen, aber der Anblick ist atemberaubend.
Der nächste Hafen, Cargèse, ist klein und gefällt uns ausnehmend gut. Das Schiff liegt ruhig, und wir finden herrliche Wanderwege an der Steilküste. Das Dorf thront 100m über uns und grüßt mit zwei Kirchen herunter. Eine von ihnen ist griechisch-katholisch, da Cargèse viele griechisch-stämmige Einwohner hat. Sie waren im 16. Jahrhundert mit genuesischen Galeeren vor den Türken geflüchtet und haben hier eine neue Heimat gefunden. Immer noch weht die griechische neben der korsischen Flagge an den Häusern.
Ein paar Tage später landen wir in Propriano. Die Hügel sind an diesem Teil der Küste etwas weiter entfernt, und die Bucht hat kilometerlange schöne Sandstrände.
Wieder warten wir auf passable Bedingungen. Denn auch wenn hier nur wenig Wind herrscht reicht ein Mistral im entfernten Golf du Lyon, um hohe Wellen bis nach Korsika zu schicken.
Wir versuchen es immer wieder, aber wir finden in den eigentlich wunderschönen Ankerbuchten keinen ruhigen Platz.
Stattdessen laufen wir Bonifacio an, und das wird ein absolutes Highlight unserer Reise. Der Felsen-Ort liegt ganz im Süden Korsikas, der Yachthafen ist durch eine imposante enge Schlucht zu erreichen. Wir finden einen der schönsten Spazierwege unseres Lebens und steigen abends mit Bier bewaffnet noch einmal hinauf, um das Panorama bei Sonnenuntergang zu bewundern.
Die riesigen Gesteinsformationen an der Küste und die hoch über dem Meer thronenden Altstadthäuser in der Zitadelle sind einmalig. Über die Straße von Bonifacio hinweg kann man den Norden Sardiniens sehen.
Diese wegen ihrer Stürme und Wellen gefürchtete Straße passieren wir am nächsten Morgen bei guten Bedingungen (hier möchte ich wirklich keinen Starkwind erleben) und gehen an der Ostküste Korsikas auf einen Ankerplatz. Er ist landschaftlich wild, und das Wasser leuchtet türkisfarben.
Schon tagsüber hatten wir in der Macchia freilaufende Rinder gesehen. In der Abenddämmerung kommt dann ein kapitaler Bulle röhrend an den Strand geschritten. Echt ein urzeitliches Bild, Paula ist hin und weg.
Leider steht nachts eine blöde Dünung in die Bucht, sodass wir kein Auge zubekommen.
Von einem Franzosen in Calvi hatten wir alten Seehasen ein Superpatent gelernt: Wenn die Welle quer zum Wind kommt, richtet sich das Boot ja trotzdem immer nach dem Wind aus. Und schaukelt. Um das zu vermeiden, legt man eine Spring im letzten Drittel an die Ankerkette und nimmt sie so fest, bis man die Welle von vorn hat. Genial, und es funktioniert. Nur natürlich nicht bei Windstille. Und die haben wir leider in der Nacht.
Völlig fertig wollen wir frühmorgens in eine nahe, geschütztere Bucht wechseln, noch vor dem Frühstück und vor dem Spaziergang mit Paula. Unterwegs bekommen wir aber ein altes treibendes Fischernetz in eine der Schrauben, sodass nur noch eine Maschine funktionsfähig ist. Vorsichtig, wir wissen ja noch nicht, was wir da mitschleppen, fahren wir weiter und in den nächsten Hafen. Ein Diver befreit uns schnell von dem dicken Netzklumpen (tja, meint er, das kann passieren!), und zum Glück hat die Welle keinen Schaden genommen. Aber wir beide sind irgendwie bedient.
Im nächsten Hafen, Solenzara, fühlen wir uns sehr wohl und bleiben ein paar Tage. Der Yachthafen ist ruhig und der Strand zum Baden für uns Drei ist nah. Wir haben lustige Klönabende mit Deutschen von einem Segler und Engländern von einer 50ft Motoyacht, die wir im Norden Korsikas zum ersten Mal getroffen und dann immer wieder gesehen haben.
Es stimmt, was der Bäcker in Bonifacio vorhersagte: La grande chaleur, die große Hitze, setzt ein. Aber unsere Schattenpolitik ist mittlerweile perfekt, wir haben das Boot gut auf Mittelmeerbedingungen umgerüstet. Überhaupt sind wir mit der Broom 425 sehr glücklich. Vom luxuriösen Inneren mal abgesehen ist das Fahren mit ihr eine Freude. Sie kommt mühelos ins Gleiten und kann auch bei höheren Wellen gut mit dem Autopiloten gesteuert werden. Sie nimmt die Wellen ruhiger als unsere alte Neptunus und lässt sich wunderbar manövrieren.
Anfang Juni fahren wir nach Taverna, hier soll das Schiff den Sommer über auf dem Trockenplatz stehen. Die Ostküste ist keineswegs so langweilig wie beschrieben. Die hohen Berge haben teilweise noch immer Schneehauben, auf den Hügeln liegen wie hingemalt kleine Dörfer. Viele Meilen fahren wir an einsamen Sandstränden entlang, gesäumt von Bäumen. Dahinter liegen Wiesen und Weinplantagen.
Kaum sind wir in Taverna, ist das Meer ruhig. So hätten wir es gern schon an der Westküste gehabt. Aber vielleicht waren wir einfach zu früh im Jahr unterwegs.
Korsika war eine Reise wert, unsere Lieblingsinsel ist es allerdings nicht. So werden wir im Herbst wieder an das italienische Festland wechseln und weiter gen Süden fahren.
Wie vor vier Jahren werden wir das Boot über Winter in Kalabrien lassen.
Nach gut 2 Monaten an Bord, 19 Fahrtagen und 620sm freuen wir Drei uns auf den Sommer zuhause.