Im Winter 2012/2013 hatten wir die Neptunus 108E nach 10 Jahren glücklicher Reisen verkauft und uns ein neues Schiff zugelegt. Steckbrief der neuen Honfleur: Broom 425, Baujahr 2008, Länge 13,20m, Breite 4,24m, Tiefgang 1,06m, 2x370PS Volvo Penta Motoren. Durchfahrtshöhe 5,20, bei gelegtem Geräteträger 3,35m.
Die Broom-Boote werden in Brundall, England, gebaut und dort, ca. 3 Autostunden NE-lich von London, haben wir unser Schiff auch gekauft. Im März waren wir eine Woche an Bord, haben eine Wagenladung Ausrüstungsgegenstände eingeräumt und alles getestet.
In diesem Jahr wollen wir von England über die Nordsee und den Ärmelkanal bis Le Havre an der Seinemündung fahren und hier Honfleur (Ehrensache)und weiter flussaufwärts Paris besuchen, eine Strecke von 800km. Von dort werden wir auf der sog. Bourbonen-Route durch die Kanäle an die Loire und in die Saône gelangen. In Valence auf der Rhône haben wir wieder für die Sommermonate einen Liegeplatz reserviert, bevor es im Herbst an die Côte d‘Azur geht.
April 2013
Wir sind nicht abergläubisch, das soll ja Unglück bringen. Aber nach gerade mal 10 Minuten Autofahrt kommt uns auf der A7 hinter dem Elbtunnel im samstäglich ruhigen Verkehr ein Falschfahrer entgegen. Fünf, sechs Wagen bremsen vor uns, zum Glück passiert nichts. Dat geiht ja gut los! Mit dem Teebecher in der Hand rufe ich die Polizei an und melde den Übeltäter, spätestens jetzt sind wir hellwach.
Abgesehen davon verläuft die Fahrt nach Calais ruhig, und wie im März wohnen wir im Hotel de la Plage mit Blick auf die große Hafeneinfahrt. So können wir schon mal beobachten, wie die großen Fähren ein- und ausfahren und welche Lichter dann an der Einfahrt zu sehen sind. So ganz vorstellen kann ich es mir noch nicht, dass wir in einer Woche auf eigenem Kiel hier landen werden.
Da man einen Hund nur im Auto vom Kontinent nach England bringen darf, egal ob per Fähre oder Eurotunnel, wir den Wagen aber aus organisatorischen Gründen bis zum Sommer in Calais abstellen wollen, verläuft der 2. Tag so aufwändig wie befürchtet. Durch den Tunnel bringt Jörn uns morgens nach Dover zum gebuchten Guesthouse, fährt allein zurück durch den Tunnel nach Calais und stellt dort den Wagen in ein Parkhaus. Nachmittags nimmt er eine Fähre zurück zu uns nach Dover.
Der Wirt des Hubert House is not pleased, uns schon so früh zu sehen, mit so viel Gepäck und Hund am frühen Vormittag. Oh je, und wir haben doch nur das kleine Zimmer gebucht! Immerhin können wir die Taschen schon bei ihm unterstellen, das Zimmer ist aber angeblich erst um 15.00 Uhr fertig. Und „hands up!“ – er hat nun leider überhaupt keine Ahnung, wo Paula und ich uns solange aufhalten können. So laufen wir beide ein paar Stunden ums Dover Castle herum und finden durchgefroren mit Mühe letztlich ein kleines Restaurant, wo tatsächlich ein Hund gestattet ist. Nachmittags beziehen wir das Zimmerchen im Hubert House. Es ist wirklich winzig, Laura Ashley-mäßig eingerichtet, kleiner als die Achterkajüte unseres neuen Bootes, aber sehr niedlich. Abends haben wir Glück in einem italienischen Ristorante mit kochender Mamma und 2 Söhnen aus Calabria. Selten haben wir so gut italienisch gegessen und sind unglaublich dankbar nach der Odyssee des Tages. Aber auch dort wurden vorher alle anderen Gäste befragt, ob ein Hund sie stören würde.
Der nächste Tag mit einer vierstündigen Fahrt im Mietwagen nach Lowestoft wird extrem anstrengend. Mit ungewohntem Hybridauto links zu fahren ist ja sehr nett, aber wir finden den Öffner für den Tankdeckel nicht … Unterwegs nutzen wir die Gelegenheit und machen noch „mal eben“ einen Großeinkauf an Proviant im Supermarkt.
Im Yachtclub von Lowestoft soll die Übernahme unseres neuen Bootes stattfinden. Kaum an Bord steht wie verabredet der Schiffsingenieur Philip mit seinem Helfer vor der Tür und wir müssen gemeinsam die Beanstandungen vom März durchgehen und ihn ordentlich loben. Er hat wirklich in der kurzen Zeit, seit unserer Woche in Brundall, sehr gute Arbeit geleistet.
Wir sind beide völlig fertig und freuen uns nur über die beiden Heizungen an Bord. Es ist kalt und ein scharfer Wind weht, eben Nordseefeeling.
Lowestoft ist die östlichste Stadt des UK und hat sich in den letzten Jahren zu einem Badeort entwickelt, mit langer Promenade und einem endlosen Strand. Bis zum 01. Mai sind Hunde darauf erlaubt und Paula findet es großartig, endlich kann sie mal wieder frei im Sand rennen.
Mit einer Flasche Champagner und Speech taufen wir feierlich die neue Honfleur.
Im noblen Royal Norfolk&Suffolk Yacht Club wird, very very british, unverzüglich die deutsche Gastflagge gehisst. So gehört sich das.
Wir vereinnahmen nach und nach das Boot, es ist wirklich sehr schön. Die Werft hat sich viele praktische Details einfallen lassen und jeden Tag entdecken wir Neues. Die Probefahrt verläuft erfolgreich, wir sind begeistert von den Fahreigenschaften, das Boot kommt schnell und mühelos ins Gleiten. Philip drückt auf allen möglichen Knöpfen herum. Der Vorbesitzer hatte zwar alle erdenklichen elektronischen Geräte angeschafft, sie wohl aber nie eingesetzt. So muss Vieles erstmals eingestellt und der Kompass von der Selbststeueranlage kompensiert werden. Dafür drehen wir unsere Runden vor dem Strand. Ich halte mich da höflich raus, die zahlreichen komplizierten Apparate kann ich mir immer noch aneignen.
Törnvorbereitung: Einkauf von britischer Orangenmarmelade und Cheddar. Da unsere Cappies noch im Auto in Calais sind, ersteht Jörn ganz begeistert einen fürchterlichen Sonnenhut im 99 Pence-Laden. Kommentar von Philip: Dazu fehlen jetzt nur noch die Socken in Sandalen!
Da wir bereits in Brundall festgestellt hatten, dass die Waschmaschine defekt ist, wird jetzt eine neue eingebaut. Das Treppengeländer im Salon und eine Tür müssen dafür entfernt werden, ein enormer Aufwand. Aber ich bin happy, dass ich jetzt nicht mehr von Waschsalons abhängig bin und sogar eine Maschine mit Trockner habe. Besonders auf der Strecke von Griechenland bis Slowenien war das Waschen ein Problem.
Philip erledigt die hoffentlich letzten Reparaturen. Er wird uns vertragsgemäß 3 Tage lang bis Le Havre begleiten und freut sich auf eine Tour nach Frankreich. Es wird seine erste. Denn, anders als vom Makler im Verkaufsgespräch getönt, war er noch nie abroad! Und ich hatte doch gedacht, wir haben einen Mann mit Reviererfahrung an Bord…
Am letzten Tag in Lowestoft erscheint der Hafenmeister und fragt scheinbar beiläufig, wie wir es eigentlich angestellt haben, den Hund nach England zu bringen. Wir erklären höflich die komplizierte Einreise. Eine halbe Stunde später stehen 2 Mitarbeiter des Zolls auf dem Steg. Das kann ja wohl kein Zufall sein! Wieder erklären wir das Hin- und Herfahren mit dem Auto. Den internationalen Hundepass (max. 3 Tage vor Einreise musste eine Wurmkur vom Tierarzt bescheinigt werden) wollen sie dann aber doch nicht ansehen und ziehen zufrieden wieder ab. Bei aller Sympathie für dieses Land erscheint uns die Auslandshundephobie doch reichlich übertrieben.