Ende August sind wir zurück an Bord. Es ist noch enorm heiß an der Rhône, und es weht ständig ein sehr starker N-Wind.
Am 30. August 2013 verlassen wir Valence. Drei Schleusen und fünf Stunden Fahrt flussabwärts liegt unser erstes Ziel: Viviers. Wir machen an etwas windschiefen Schwimmern fest und haben einen sehr schönen Blick auf nahe Zuckerhuthügel, die von Heiligenfiguren gekrönt werden. Den Ort auf einer felsigen Anhöhe erkunden wir auf einem gut ausgeschilderten Stadtrundgang. Im 13. Jahrhundert gehörte Viviers zum Heiligen Römischen Reich. In dieser Zeit baute man um die Kathedrale herum ein Domherrenquartier. Nach dem Hundertjährigen Krieg entstanden im Ort etliche größere Häuser mit reich verzierten Fassaden, u.a. das Ritterhaus von Noel Albert. Durch Salzhandel reich geworden wurde er aber übermütig und plünderte während der Religionskriege die Kathedrale. Als der Bischof nach Viviers zurückkehrte, wurde Noel Albert ob seiner Missetaten kurzerhand geköpft.
Abends macht ein kleiner Engländer neben uns fest. Er hat, zum Spaß, eine große Piratenflagge gehisst. Das gefällt dem Hafenmeister nun gar nicht. Noch bevor die Leinen belegt sind, befiehlt er laut und glutaugenrollend, die Flagge sofort zu entfernen. Woraufhin die Engländerin flugs in der Kombüse verschwindet, mit einem Messer zwischen den Zähnen wieder auftaucht, und in Windeseile die toute la France bedrohende Piratenflagge vom Flaggenmast absäbelt. Dafür geht der Skipper der „UHURU“ aus Humble dann auch nicht zum Bezahlen in die Capitainerie, was wiederum den Hafenmeister veranlasst, erneut glutaugenrollend zu kommentieren: „Aaah, les Britanníques!“ Das nennt man wahre Freundschaft auf beiden Seiten.
Ein paar Tage später, nach einem ausführlichen Besuch von Avignon, erreichen wir das Mittelmeer und haben endlich wieder freies Wasser vor dem Bug.
Eigentlich wollten wir unbedingt Marseille, der Kulturhauptstadt 2013, einen Besuch abstatten. Darauf verzichten wir aber wegen der Hitze und laufen gleich gegenüber die kleine Insel Frioul an, wo wir zusammen mit Paula baden gehen können. Über die Zwischenstation Bandol (bei Weinkennern bekannt) landen wir auf der Île des Embiez.
Da wir einen Sliptermin für die kommende Woche vereinbart haben wird uns im Hafen ein Paradeplatz zugewiesen. Schön weit weg vom Trubel, trotzdem mit einem sehr netten Ausblick. Seit unserem ersten Besuch vor etlichen Jahren ist Embiez unsere Lieblingsinsel an der Côte d‘Azur. Rund um den Yachthafen blühen noch Oleander und Rosen. Die ganze Insel ist üppig grün, hier wachsen auch sehr kräftige Cannes de Provence, eine Bambusart.
Kleine Buchten mit weißen Kieseln laden zum Baden und Schnorcheln ein, und es gibt viele Wanderwege an der Küste oder durch die Weinberge bis zur Steilküste auf der anderen Seite, auf deren höchster Stelle ein von Ziegen bewohnter Turm steht.
Der Eigner einer großen Motoryacht hat sich viel einfallen lassen, um zu verhindern, dass sich pupende Möwen auf seinem Geräteträger niederlassen. So hat er neben einer gefährlich aussehenden Uhu-Plastikfigur auch etliche im Wind schaukelnde und blinkende CD-Scheiben zur Abschreckung angebracht. Den Erfolg dieser Maßnahme können wir nun in aller Ruhe verfolgen. Denn ausgerechnet diesen Geräteträger liebt eine große Silbermöwe besonders. Einträchtig neben dem Uhu stehend schaut sie sich entspannt das Geschehen im Hafen an.
Die Honfleur wird an Land gehoben, weil das Unterwasserschiff mit mittelmeertauglichem Antifouling gestrichen werden muss. Auch Wellen und Propeller bekommen einen Schutzanstrich. Während der Arbeiten wohnen wir weiter auf dem Schiff.
In der Gebrauchsanleitung unseres Superbackofens mit allen erdenklichen Sensor- und Combi-Funktionen steht zur Behandlung einer tiefgefrorenen Pizza: „Place on low rack on metal tray on turntable“. Ähnlich simpel geht es nun zu, wenn unser Hund an Bord gehievt wird. Um Paula nach den Spaziergängen wieder aufs Schiff zu bekommen, muss Jörn sie auf einen hohen Arbeitstisch stellen, über eine Leiter selbst auf den Tisch klettern, mit Paula auf dem Arm auf einen dreistufigen Tritt steigen und sie dann achtern auf die Badeplattform heben. Mir wird bei diesem Manöver regelmäßig angst und bange, aber Jörn meint, das ginge doch gut, und Paula hält ergeben still. Auf dem Trockenplatz mit zugegeben grandiosem Rundumblick über die See und den Yachthafen liegen wir länger als geplant, denn schon wieder weht ein Mistral mit 7Bft und heftigen Böen. Es ist zu stürmisch, um das 13 Tonnen schwere Boot in den Travellift zu hängen.
Wir nutzen die Tage, um eine helle Sonnenpersenning für die großen Frontscheiben zu basteln. Die Broom war natürlich eher für die irische See als für das Mittelmeer ausgerüstet, und die mitgelieferten dunkelblauen Persennings wirken hier wie eine Heizung. Auf einer weißen Plane zeichnen wir die Fensterumrisse an, schneiden aus, umkleben den Rand mit Heißluftföhn, stanzen Löcher für die Druckknöpfe, setzen Knöpfe ein: Passt!
Nachdem wir auf Embiez wieder zu Wasser gekommen sind steuern wir die nächste schöne Insel, Porquerolles, an.
Hier verbringen wir einige Tage und genießen die wunderbaren Wanderungen. Unter riesigen Eukalyptusbäumen und hohen Schirmkiefern verlaufen die Sandwege, vorbei an Oliven- und Obstplantagen, Weinanpflanzungen, aber auch sehr viel freier unberührter Natur. Auf der nächsten Insel der Îles d’Hyères, dem ehemaligen Piratenunterschlupf Port Cros, hängen wir uns für eine Nacht dicht an den Felsen an eine Boje. Auch hier ist Naturschutzgebiet und mit Paula dürfen wir nur auf markierten Wegen laufen. Die wilde, üppig grüne Vegetation ist phantastisch.
Als uns im Frühling ein bezahlbarer Winterliegeplatz in Port Grimaud angeboten wurde, glaubten wir, das große Los gezogen zu haben. Denn bei unserem ersten Besuch vor vier Jahren gefiel uns diese edle in den 60er Jahren in einer Lagune gebaute Ferienanlage sehr gut. Noble, vielfältige Häuser schmiegen sich aneinander, fast jedes hat einen Bootsliegeplatz. Unser holländischer Vermieter besitzt so ein Haus mit Liegeplatz.
Leider geraten wir unvermittelt in einen seit Jahren schwelenden Nachbarschaftsstreit zwischen unserem Vermieter und seinem Nachbarn, was die Stimmung an Bord doch etwas trübt. Wir fühlen uns, erstmals, unwillkommen. Der Blick aus der Plicht ist aber wunderschön. Wir schauen auf große Pinien auf der anderen Seite, im Hintergrund ragen die bewaldeten Hügel auf.
Und wir haben nur einen kurzen Weg mit dem Beiboot zum Strand und zum Baden.
Unsere Freunde Barbara und Mario aus Kappeln besuchen uns einen Tag lang. Wir freuen uns sehr, haben viel zu klönen und fahren zünftig zu fünft mit dem Beiboot zum Restaurant auf der anderen Seite von Port Grimaud.
Auch John und seine Freundin Anna besuchen uns für ein paar Tage und bringen, aus Paris kommend, unser Auto aus Valence mit. Damit fahren wir zusammen nach Saint Tropez. Für eine Woche steht hier alles im Zeichen der großen Segelregatta „Voiles de Saint-Tropez“, an der Hunderte von Booten teilnehmen. Im alten Hafen liegen futuristische neue Yachten, aber auch die wunderschönen liebevoll gepflegten Traditionsschiffe.
Bei Sonnenschein und guten Seebedingungen fahren wir 40sm an der malerischen Küste mit ihren roten Felsen entlang nach Antibes. Mit etwas Mühe findet man in der Capitainerie einen Liegeplatz für unser im Vergleich so kleines Boot. Dieser Platz ist sehr schön gelegen, im Vieux Port neben dem Seenotretter. Eigentlich gehört er der Polizei, aber, so versichert man uns, „die war schon lange nicht mehr hier“.
Einige der hundert größten Privatyachten der Welt liegen in Antibes, wir schauen sie uns natürlich an, erkunden die Altstadt und genießen den täglichen provencalischen Markt. Nach ein paar schönen gemeinsamen Tagen müssen wir uns von John und Anna verabschieden und unsere Tochter Alexandra kommt für eine Woche an Bord. Auch ihr gefällt es gut in Antibes. Gemeinsam besuchen wir das kleine aber sehenswerte Picasso-Museum.
Mitte Oktober landen wir wieder in Port Grimaud und unternehmen von hier aus Autotouren in die Umgebung. Besonders gut gefällt uns der alte Ort Grimaud, der von einer Burganlage gekrönt auf einem Hügel thront.
Der Ausblick über die Bucht von Saint Tropez ist fantastisch.
Auf dem Weg statten wir auch einem Weinhandel einen Besuch ab. Ehrensache, dass wir die lokalen Tröpfchen genießen müssen.
Da wir die Broom 425 zum ersten Mal winterfest machen brauchen alle Arbeiten sehr viel Zeit. Als Jörn beim Ölwechsel der Maschinen Probleme hat, fragt er drei verschiedene Volvo-Mechaniker und erhält sinnigerweise drei verschiedene Antworten. Aber letztlich landet der Ölabsaugschlauch da, wo er gebraucht wird, und Jörn ist um eine Erfahrung reicher.
Eine sehr aufregende Bootssaison ist zu Ende. 1400sm und etwa 150 Schleusen haben wir bewältigt. Es wird Zeit, mal wieder Land unter die Füße zu bekommen. Obwohl natürlich die Planung für kommende Reisen schon begonnen hat!