Samstag, 20. April 2013
Der Ärmelkanal, den wir überqueren müssen, ist nicht nur wegen seines enormen Großschifffahrt-Verkehrs sondern auch wegen starker Strömung ein sehr anspruchsvolles Fahrtgebiet. Da wir bisher kaum in Tidengewässern unterwegs gewesen sind hatte Jörn sich im Winter eingehend mit dem Reeds-Almanach, sozusagen der Bibel für diese Gewässer, beschäftigt. Hierin findet man Segelanweisungen für die Ansteuerungen der Tidenhäfen, Stromkarten und Gezeiteninformationen sowie Hinweise zu den Seebedingungen.
Die Verkehrstrennungsgebiete dürfen nur im rechten Winkel gekreuzt werden. Dies wird streng überwacht. Daher sollte der Kurs bis kurz vor der engsten Stelle, zwischen Dover und Calais, an der britischen Küste entlang verlaufen. Allerdings wegen zahlreicher vorgelagerter Sandbänke in sicherer Entfernung, besonders vor der Mündung der Themse liegen ausgedehnte Flachs.
Um 10.40 Uhr legen wir in Lowestoft ab. Die ersten 4 Stunden sind gut mit 17kn zu fahren, wir sitzen bequem zu dritt nebeneinander. Philip bedient den Plotter, der uns den Kurs auf der Seekarte und noch unendlich viel mehr anzeigt.
Unsere seeerfahrene Paula hat sich sofort für den Platz zu Füßen des Steuermanns entschieden. Dort liegt sie auf ihrem Fellchen bis zum Ende des Törns gut geschützt und schläft.
Nur einmal müssen wir einem Dampfer ausweichen, mühelos kommt das Boot auf 20kn.
Erstaunlich viele Basstölpel sind hier auf der Jagd, diese großen Vögel beeindrucken uns immer wieder mit ihren Flugkünsten. Aus vollem Flug stürzen sie sich wie ein Pfeil ins Wasser, um die Beute zu fangen.
Die letzten 2,5 Stunden werden sehr „bumpy“, ein hübscher Ausdruck von Philip für eine grässliche Welle, die vor Calais zu allem Überfluss auch noch quer kommt. Wir folgen einer der einfahrenden Fähren, bitten über Funk um Genehmigung zur Einfahrt, und tatsächlich, wir sollen uns beeilen und dürfen einfahren. So bleibt uns ein langes Warten in den fiesen Wellen erspart. Allerdings müssen wir uns im Vorhafen für 2 Stunden an eine Boje hängen. Erst dann können wir endlich über die Barre, die ein Leerlaufen des Yachthafens verhindern soll, einfahren und festmachen. Die ersten 95 Seemeilen sind geschafft und ich frage mich, welcher Teufel mich eigentlich im Winter auf dem heimischen Sofa geritten hatte, einer Beteiligung am Überführungstörn zuzustimmen. Andere Frauen steigen doch auch erst an Bord, wenn der unfreundliche Teil der Reise geschafft ist!
Nach einem gepflegten Essen holen wir vier das Auto aus dem Parkhaus, in dem noch etliche Ausrüstungsgegenstände und die neue Tiefkühlung liegen. Spät fallen wir erschöpft ins Bett.
Tag 2 im Ärmelkanal, die Fahrt nach Dieppe:
Nach einem frühen Spaziergang mit Paula fahren Philip und ich zum Tanken, Jörn bringt derweil das ausgeräumte Auto zurück ins Parkhaus. Wir haben es eilig, denn wegen der Tide müssen wir bis 09.45 den Hafen verlassen haben.
Philip fotografiert draußen das Blau, so schön und ruhig hat er den Ärmelkanal ja noch nie gesehen! Die Seebedingungen sind gut, aber 2 Stunden vor Dieppe gibt die Backbord-Maschine Alarm. Philip hatte es befürchtet und war schon in Lowestoft deswegen „concerned“: Durch das lange Stehen des Bootes hat es Ablagerungen im Diesel gegeben, die jetzt zu Verstopfungen der Kraftstofffilter führten. Philip tauscht den Vorfilter aus und taucht nach einer halben Stunde sehr rosig ob der Hitze im Maschinenraum wieder auf. Wir geben zur Probe wieder ordentlich Gas, erneut ertönt Alarm, diesmal von der Steuerbord-Maschine. Also müssen die anderen Filter auch ausgetauscht werden. Aber mit einer Geschwindigkeit von 15kn kommen wir bis nach Dieppe. Weitere 70 Seemeilen sind geschafft.
Mit seinen gewaltig hohen Mauern sieht der Hafen enorm beeindruckend aus, man kommt sich ganz winzig vor. An der Hafenmeile gehen wir abends sehr gut essen, wir haben es uns verdient.
Tag 3 im Ärmelkanal
Jeder Motor hat einen Vor- und einen Hauptfilter. Die Männer können am Hafen nur jeweils einen kaufen, Philip setzt sie vor der Fahrt ein. Jetzt fehlt uns noch ein Hauptfilter, und prompt gibt es draußen wieder Alarm, als wir versuchen, unsere Reisegeschwindigkeit auf 20kn zu erhöhen. Also fahren wir mit 15kn die 55sm nach Le Havre. Das geht ohne Probleme, weil dabei der Dieseldurchlauf nicht so hoch ist. Leider haben wir wieder ungute Bedingungen, 5-6Bft. gegenan und eine steile blöde See. Mir reicht’s.
Jörn scheitert an den „wipers“, den Scheibenwischern. Ein Schalter mit drei kleinen Miniknöpfchen, die Waschen und Wischen mit und ohne Intervall steuern sollen? Was zuviel ist, ist zuviel, auch mein Mann kommt an seine Grenzen. Das mit die wipers lernen wir ebend später.
Kaum im Hafen verabschiedet sich Philip, er will seine Fähre zurück nach England erreichen. Es war sehr gut, dass wir ihn als Hilfe dabei hatten und er ist ein wirklich nettes Crewmitglied gewesen. Aber wir sind doch froh, jetzt unter uns zu sein.